Installation
Ron Athey über die
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Ron Athey on the
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Fetish Black Box, Performance Installation
In der Mitte des Raumes ist ein zweikommavier Kubikmeter großer Kubus installiert, dessen Aluminiumkonstruktion mit einer Hülle aus schwarzem Lederimitat außen, Molton und schalldämmendem Schaumstoff innen verkleidet ist. Der schallgeschützte Innenraum bietet die Gelegenheit zur Immersion. Als Biosphäre für eine haptisch/taktile Performance, abgeschlossen von den Blicken und den Urteilen der Gesellschaft, entfaltet sich ein Raum, entsteht ein Ort, die wesenhafte Seite eines Objekts, eines Fetisch als Ich- versus-Objekterfahrung zu begreifen und sich mit der Frage nach deren immanenter Umkehr zu befassen. Dabei wird die körperliche Interaktion, die echte Begegnung ins Zentrum der Konstellation gerückt.
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Fetish Black Box, Performance Installation
The Fetish Black Box, a 2.4m by 2.4m by 2.4m cube, is installed in the middle of the room. The aluminium construction of which is covered with synthetic black leather, heavy black cloth and soundproof foam woven into it. The soundproof inner space offers the opportunity for immersion. A biosphere for a haptic performance is being created, hidden from the gaze and judgment of society. The inside space unfolds to comprehend the essential aspect of an object, of a fetish as ego-versus-object experience, and with it comes the question of its immanent reversal. The physical interaction, the real encounter is placed at the innermost center of this constellation.
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Fetish Black Box - Die Installation
Außen: Kommunikationsgrenzen. Lärmkulisse. Beobachtbarkeit. Ereignishorizont. Fantasieentwicklung. Fetischisierung. Objekt. Zustandsüberlagerung. Gesellschaftsnormen.
Die Grenzen der Installation sind aus Leder. Die Haut zugegeben ein Imitat. An der Außenseite nimmt das soziale Leben seinen Lauf. Blicke treffen auf das Objekt, es schluckt einen Teil, den anderen reflektiert es. Schall erfüllt den Raum, er wird absorbiert, gedämpft. Die Konstruktion ist Mittelpunkt und zugleich Ereignishorizont, hinter dem alle Information verborgen bleibt. Es ist dieses Nicht-Erfahren-Können, das Nicht-Wissen, das den Menschen neugierig werden lässt, die Außenstehenden reizt. Ein jeder entwickelt seine Fantasie, eine jede hat ihre Gedanken. Die einen fetischisieren, laden das Objekt spirituell auf, sexualisieren etwa, die anderen erfahren es pur mechanistisch, amüsieren sich. In allen Fällen bleibt die Fetish Black Box ein schwarzes Objekt im Raum. Wendet man Erwin Schrödingers Gedankenexperiment Schrödingers Katze, über dessen Grundlagen er bis zu seiner Ausreise 1938 in Graz als Dozent für Theoretische Physik an der Karl-Franzens-Universität gelehrt hat, auf das Innere des Objekts an, so entstehen - dem Experiment folgend - von außen betrachtet Überlagerungen aller möglichen Zustände und Geschehnisse, die darin vorkommen können. Der Umgebung wird etwas vorenthalten, sie beobachtet das Objekt äußerlich und zieht ihre Schlüsse auf Basis der Normen, die ihr zur Verfügung sind. |
Fetish Black Box : Outside
Outside: Communication limits. Noise backdrop. Observability. Event horizon. Imagination development. Fetishization. Object. Superpositional states. Social norms.
Leather delimits the black box. Like a skin, but of course, an imitation. On the outside polyphony of life continues. Gazes meet the object, which partly swallows and partly reflects. Sound fills the outer room, which is absorbed, dampened. The structure is at the center and at the same time an event horizon, beyond which all information remains hidden. It is this non-perceptibility, the non-knowledge that makes people curious, that excites outsiders. Everyone develops their own imagination, their own thoughts. Some fetishize, some charge it with spiritual significance, others sexualize, again others experience it mechanistically, enjoy themselves. In any case, the box remains a black object in space. Applying Erwin Schrödinger's famous thought experiment (the basis of which he taught in Graz-Austria as a lecturer in theoretical physics at the Karl-Franzens-Universität until 1938) to the interior of the object, a superposition is implied: A superposition of all states that could possibly occur inside. Something is withheld from the spectator, the object is viewed from outside and society draws its conclusions based on the norms that are currently available. |
Haptic Performance in der BoxInnen:
Kommunikationsgrenzen. Wahrnehmungsbeeinträchtigung und Selektion. Berührungsängste. Körperschema. Selbstbild. Intentionsgestalt. Kontaktfreude. Beziehungsinteresse. Fremdbestimmung und Eigenwahrnehmung. Selbst. Subjekt. Gegenwartsmoment. Grenz-Erfahrung. Ich-Feststellung. Selbst-Verteidigung. Deïdealisierung. Echtheitsbegriff. Begriffswahrheit. Verstands-Ermächtigung. Sensationsverlust. Vermögenssteigerung. Gesellschaftskritik… Ich ist kein anderer. Die Hülle der Fetish Black Box ist eine Kommunikationsgrenze. Niemand aus der Gesellschaft sieht von außen hinein. Innen ist der dröhnende Lärm nur stark gedämpft zu hören, wie ein dumpfes fernes Klopfen in regelmäßiger Herzfrequenz. Die beiden Eingetretenen wissen, dass die Gesellschaft nicht hineinsieht. Die Gesellschaft weiß, dass die Eingetretenen dies wissen und auch diese wissen, was die Gesellschaft weiß. Was letztere nicht weiß, ist, was Innen nun tatsächlich passiert. In dieser Zelle entsteht Raumzeit für qualitätsvolle haptisch-taktile Wahrnehmung und Interaktion. Eine Berührung löst eine Reaktion aus, sowohl beim taktil Berührten, wie beim haptisch ausführenden Performer.
Die Vorstellung vom eigenen Körper stimmt nie vollständig mit der Eigenwahrnehmung überein. Die Intention der Berührung, die Intention der Interaktion zweier Körper, die Intention der Kommunikation auf Motorkortexebene wird durch ihre Gestalt, durch ihre Qualität manifest. Eine Berührung sagt mehr als 1000 Bilder. Das Selbstbild wird von der Dunkelheit des Raumes ausgeleuchtet und orientiert sich an haptischen Wegweisern. Neugier und Interesse erlauben die Richtung, Scham und Zweifel verorten die Grenzen. Das Selbst, das Ich, das Subjekt, es begreift sich durch sich selbst, durch Anerkennung des anderen, durch Abgrenzung vom anderen. Der Mensch kann sich nicht selbst durch Kitzeln zum Lachen bringen, sich nicht durch eigene Berührung selbst überraschen. Der Fremde, der Performer bietet sich als Objekt zur haptischen Reflektion, als Objekt für Feedback in Echtzeit. Es kommt zum Begegnungsmoment zwischen zwei Individuen. Der Verstand ist in der Lage, Wahrnehmung und Bewertung voneinander zu trennen. Wann ist ein sich selbst wahrnehmender Körper ideal, wann ist er echt, wann ist er wahr? Zu begreifen ist eine Sensation im Wortsinn. Sich selbst wahrzunehmen, sich selbst zu kennen und das Interesse, diese Ich-Erkenntnis, diese Ich-Konstruktion zu erweitern, befähigt zum Menschsein. Wer sich begreift, versteht andere. Wer andere begreift, versteht sich selbst. Aber ist das Lebewesen Gesellschaft bereit, diese mit Eigenwahrnehmung und Fremdverständnis neu begrenzte Zelle Mensch zu integrieren? |
Haptic Performance : Inside
Inside:
Communication limits. Perceptual impairment and selection. Reservations. Body image. Self-image. Gestalt of Intention. Joy of Contact. Heteronomy and self-perception. Self. Subject. Present moment. Border experience. Ego discovery. Self-defense. Deïdealization. Grasping authenticity. Terms of truth. Mindful authorization. Loss of sensation. Appreciation of abilities. Social criticism. The surface of the Fetish Black Box is a communication barrier. Nobody from outside is allowed to have insight. Inside, all external noises are perceived as muffled, like a dull distant beating at a constant heart rate. The insiders know that society cannot look inside. Society knows that the insiders know this and they again know what society is knowing. What society does not know, though, is what actually is happening inside: This cell creates spacetime for high-quality haptic/tactile perception and touch will trigger a reaction, in the haptically touched as well as the tactilely acting performer.
The image of one's own body never completely coincides with the perception of one’s self. The intention of the touch, the intention of the interaction between two bodies, the intention of communication at the level of the motor cortex becomes manifest by way of form, quality, gestalt. One touch is worth a thousand pictures. The self-image is illuminated by the darkness of the room and orients itself via haptic guideposts. Curiosity and interest allow for direction, shame and doubt allocate the boundaries. The self, the ego, the subject grasps by acknowledgment of the other, by demarcation from the other. No one can inflict laughter by tickling oneself, nor surprise one’s self by their own touch. Both the participant and the performer present themselves as an object for haptic/tactile reflection featuring feedback in real time: A moment of encounter between two individuals. The mind is able to separate perception from evaluation. When is a self-perceiving body ideal, when is it real, when is it true? To grasp is a sensation in the literal sense. To perceive oneself, to know oneself and the interest to extend the realization of ego, to expand the ego-construction enables to become human. Who grasps one’s self, has a grasp of others. Whoever grasps others will get a grasp on themselves. But is the creature called society ready to integrate this new human cell, just delimited with self-perception and by grasp of the foreign? |
Objektbeziehung - Fetischisierung
Fetisch hat Konjunktur. Während auf der einen Seite die Fetischisierung von Körperlichkeit und Erotik, von Sexualität und Pornografie Teil der Massenkultur und des Massengeschmacks werden, finden sich in der aktuellen Konsumkritik die Warnungen vor dem Fetischcharakter der Waren, wie sie grundlegend von Karl Marx erarbeitet und vom Postmarxismus weiterentwickelt wurden. Beides ist im Grundsatz problematisch. Der Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme (Humboldt-Universität, Berlin) hat in seinen wegweisenden Arbeiten die Theorie des Fetischismus aus der kolonialen „Bezeichnung von unverstandenen und im christlichen Sinne anstößigen Praktiken“ hergeleitet, die in der Folge zu einer fundamentalen Kritik an „irrationalen Objektbeziehungen“ erweitert wird. Er warnt davor, dass wir in unserer alltagsmoralischen Verurteilung des Fetischismus von Sexualität wie Ware noch immer „Gefangene des kolonialen 19. Jahrhunderts“ sind, während tatsächlich der Fetischismus auf eine viel grundlegendere, jenseits der Moralphilosophie angesiedelte Objektbeziehung rekurriert: „Dinge tun etwas mit den Menschen. Und je dichter das Netz der Dinge ist, das die Menschen umgibt, umso eher stellt sich eine unheimliche Erfahrung ein: nämlich im Zentrum eines ungeheuren Energiefeldes zu stehen, das die Subjektform determiniert.“ (Hartmut Böhme, 2000)
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Object Relation - Fetishization
Fetish is in business. While on the one hand the fetishization of corporeality and eroticism, of sexuality and pornography become part of mainstream culture and mainstream taste, current consumer criticism warns of and hints towards the fetish nature of commodities as fundamentally developed by Karl Marx and further developed by Post-Marxism, both equally problematic per se. In his pioneering work the cultural scientist Hartmut Böhme (Humboldt University, Berlin) has derived the theory of fetishism from "the colonial designation of misunderstood (and in the Christian sense) offensive practices", which subsequently has been expanded into a fundamental criticism of "irrational object relations". He warns that concerning our „everyday moral condemnation of the fetishism of sexuality and commodities“ we are still "prisoners of the colonial nineteenth century“, while fetishism actually resorts to a much more basic object relationship beyond moral philosophy: "Things do something with the people. And the more dense the network of things that surrounds people, the more likely it is to find an eerie experience: being at the center of a tremendous field of energy that determines the form of the subject." (Hartmut Böhme, 2000)
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Haptic Performance Art
Haptische Performances überführen aus dem alltäglichen Kontext entnommene Berührungen und Handlungen in die Kunstform: Hände schütteln, eine Umarmung, ein Kuss etc. werden zu einer Berührungs-, Bewegungs- und Begegnungspartitur. Parameter dieser Kunstform sind Fläche, Druck, Intensität und deren Verlauf, Bewegungsrichtung, Intention und Dauer sowie Position der Körper im Verhältnis zur Schwerkraft. Der Haptor (der Performance-Künstler) entwickelt die haptisch/taktile Partitur am Sensor (Rezipient), dessen Reaktion als Biofeedback auf die Performance rückwirkt. Der Sensor wird seinerseits zum Haptor und generiert dadurch eine Feedbackschleife, erzeugt einen zwischenmenschlichen Bezugsrahmen, Intersubjektivität.
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Haptic Performance Art
Haptic performance transfers all sorts of touch and actions taken out of the context of everyday’s life into the form of art: shaking hands, a hug, a kiss, etc. become integrated in a score of touch, movement and encounter. The parameters of this art form are surface area, pressure, intensity and their rate of change, distance, direction of movement, intention and duration as well as position of the body in relation to gravity. The haptor (the performance artist) develops the haptic/tactile score on or close to the sensor (the participant) whose reaction acts as biofeedback concerning the performance. The sensor in turn becomes a haptor, thus generating a feedback loop, creating an interpersonal reference frame, creating intersubjectivity.
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Black Box - eine MetapherEine sogenannte Black Box in der Elektrotechnik ist jene elektronische Schaltung, deren einzelne Elemente und Verbindungen zueinander unbekannt sind. Die Signalverarbeitungstheorie jedoch sendet definierte Impulse an die Eingänge einer solchen Black Box und analysiert deren Ausgänge, um dadurch über die Funktion der Einheit Klarheit zu erlangen. Das Verhalten jeder Black Box wird demzufolge als Filter charakterisiert: Die angelegten Signale werden auf charakteristische Weise von der Black Box als Filter abgewandelt und lösen am Ausgang dementsprechende Reaktionen aus.
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Black Box - a MetaphorIn electrotechnical engineering a so-called black box is an electronic circuit whose individual elements and interconnections are unknown. However, signal processing applies defined pulses to the input channels of such a black box and analyses the respective output to gain clarity about its function. Subsequently the behavior of a black box is characterized as a filter: the applied signals are modified by the filter / the black box in a characteristic way thus triggering a corresponding reaction at the output.
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